Glauben

Anscheinend kommt gegenwärtig keine Nachrichtensendung ohne einen Beitrag über radikale Religionsfanatiker und deren Tun und Handeln aus. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht in irgendeiner medialen Form mit Religionsanhängern und natürlich auch mit deren Gegnern konfrontiert werde.

Ich glaube es ist an der Zeit, sich einmal mehr mit dem Thema Glauben zu beschäftigen. Schon lange denke ich über Sinn und Unsinn nach. Was ist der Glaube? Und was bedeutet es, an etwas zu glauben? Und vor allem, warum können Gläubige und Nichtgläubige nicht miteinander oder zumindest nebeneinander existieren. Wie viel ist ein Glaube wert, wenn er sich nicht um das Leben anderer schert?

Gleich vorweg, ich bin nicht religiös veranlagt. Glaube demnach nicht an Gott oder göttliche Fügungen. Dementsprechend fällt es mir schwer, auch nur ansatzweise nachzuvollziehen, was Menschen bewegt, im Namen ihrer Religion Dinge zu tun, die Andersdenkende und natürlich Andersgläubige verletzen oder gar umbringen können.

Ich habe viel darüber nachgegrübelt, warum ich eigentlich nicht an einen Gott glaube. Und ob ich überhaupt an etwas glaube. Das wird zum Einem an meiner Erziehung liegen. Meine Eltern und auch meine Großeltern sind und waren niemals religiös. Dessen bin ich mir jedenfalls recht sicher. Außerdem bin ich gegenüber „göttlichen Wundern“ viel zu skeptisch beziehungsweise pragmatisch eingestellt, als dass ich Dinge, die mir nicht einleuchten, mit göttlichen Instanzen erklären würde.

Und trotzdem glaube ich. An die Familie zum Beispiel. Der Begriff „Familie“ beschreibt bei mir weit mehr als nur die Summe aller Blutsverwandten und angeheirateten Parteien. Natürlich sagt die Familie auch etwas darüber aus „Woher ich komme“ und „Wohin es mich bringen wird“. Aber darüber hinaus zähle ich alle meine Freunde zu meiner Familie. Ich glaube an meine Freunde. Und für gute Freunde würde ich weit gehen. Wie weit? So weit es mir menschlich möglich ist!

Woran glaube ich noch? An die Musik. So, wie ich mir ein Leben ohne Familie nicht vorstellen kann, so ist es ohne Musik nicht lebenswert. Auch wenn ich die Tatsache bedaure, kein einziges Musikinstrument spielen zu können, so gibt mir doch die Musik in ihren vielfältigen Formen Halt und Kraft. Musik lässt mich intensiv Spüren, Fühlen, Emotionen ausdrücken. Für die Musik bringe ich Opfer. Gebe Geld für Tickets oder Tonträger aus. Bewundere, ach was, ich vergöttere ihre Macher. Musiker sind die Genies der Gegenwart und der Vergangenheit. Musiker sind meine Götter. Ich habe viele Götter, die alle nebeneinander und miteinander existieren.

Warum können die Religionen, ob nun Christentum, Islam, Hinduismus, Judentum, Buddhismus und alle anderen Glaubensrichtungen nicht gemeinsam oder zumindest mit gegenseitiger Akzeptanz nebeneinander existieren oder gar koexistieren? Warum muss die jeweils eigene Religion, die einzig wahre sein? Neben meiner Familie gibt es unsagbar viele andere Familien, gegen die ich keinen Groll hege und mit denen ich wunderbar leben könnte. Hier und da wird eine dieser Familien dann auch wieder die meine verstärken. Vorausgesetzt, man lässt es einfach geschehen. Lässt niemanden außen vor.

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Nackte Angst

Letzte Nacht hat mich ein Traum aus dem Schlaf gerissen. Noch viele Stunden später beschäftigte er mich. Jeder weiß, dass Träume nicht immer gleich strukturiert oder auf ein und derselben Zeitachse ablaufen müssen. Das Gehirn verarbeitet im Schlaf Unmengen an Informationen. Lässt Protagonisten, Örtlichkeiten, Emotionen schlagartig wandeln und dadurch keine Möglichkeit ein klares Bild des Traumes wiederzugeben. Aber letzte Nacht … der Traum war so erschreckend real, wie eine Erinnerung, die nicht verblassen will oder nicht kann.

Der Traum handelte von meiner Familie und von meinen Freunden. Unter freiem Himmel an einem See saßen wir alle beisammen. Wir feierten irgendetwas. Hatten Spaß. Lachten. Aßen. Die Kinder tobten und tanzten um uns herum. Bunte Farben überall. Und plötzlich hielten alle schlagartig inne. Angst, Entsetzen, Fragen, Ungläubigkeit – all das lass ich in Ihren Gesichtern. Ich war Ihnen zugewandt und stellte fest, dass sie alle durch mich hindurch und an mir vorbei auf den Horizont starrten. Ich drehte mich also um und sah dieses gleißende Licht. War völlig geblendet. Es brannte in meinen Augen. Mit der Hand vor dem Gesicht versuchte ich durch dieses Licht hindurch zu sehen. Vergebens. Und so schnell wie dieses Licht am Horizont auftauchte, verschwand es auch wieder. Totale Stille. Vom Licht geblendet tastete ich nach der Hand meiner Frau, die neben mir saß. Sie wiederum zog unsere Tochter zwischen uns. Ich sah meiner Frau ins Gesicht und sah diese Angst. Diese nackte Angst.

Und im nächsten Augenblick kam eine schwarze Welle, schwarze Wolke … nein eine schwarze Wand auf uns zugerast. Alles schwarz. Schwarz.

Hochgeschossen, lag ich auf einem Arm aufgestützt in meinem Bett. Mein Herz hämmerte mir in der Brust. Ein Traum. „Das war nur ein Traum“ wurde mir klar. Meine Frau schlief tief und fest neben mir. Ich rappelte mich auf und verschwand in der Küche. Ein Glas Wasser sollte für Erfrischung und klare Gedanken sorgen. Mein Blick fiel auf die Uhr an der Mikrowelle. Es war 04:36 Uhr. Mitten in der Nacht.

Auf dem Weg zurück zum Schlafzimmer blieb ich vor dem Zimmer meiner Tochter stehen. Lauschte. Öffnete sacht die Tür und sah sie im fahlen Schein des Mondlichts liegen. Ich ging zu ihr ans Bett und zog ihr die Bettdecke hoch. Sie sah so unschuldig aus, wie sie da lag mit ihrem Lieblingskuscheltier im Arm. Keine Ahnung, wie lange ich da noch an ihrem Bett stand. Mir war mehr als nur bewusst, wovon ich nur Minuten zuvor träumte.

Ich hoffe, dass dieser Moment nie kommen wird und auch meine Tochter und meine Enkel und deren Kinder und Enkel dieses Ende niemals sehen werden.

Zurück in meinem Bett spukten mir diese Gedanken noch lange durch den Kopf. Schlussendlich entließ mich ein einziger Wunsch zurück in meinen Schlaf. Falls irgendwann dieser unsagbare Moment kommen sollte, der alles beendet und alles was es gibt mit sich nimmt, dann möchte ich bei meiner Familie sein. Ich möchte dann nicht alleine sein. Die Angst vor dem Alleinsein überwiegt so viel mehr als die Angst vor dem Ende.

Ist das normal?

Runde Geburtstage

Ob nun den 50sten, … 60sten, … 70sten, … 80sten oder vielleicht auch noch höher angesetzt – runde Geburtstage sind und bleiben einfach etwas sehr Schönes. Ein dicker Freund von, ich nenne es mal „normalen“ Geburtstagen, bin ich nicht. Erst recht nicht, wenn es um den eigenen Geburtstag geht. Meine Abneigung dem eigenem Ehrentag gegenüber lass ich heute mal außen vor. Nein. Heute will ich einfach nur freundlich resümieren. So ein runder Geburtstag ist eine runde Sache.

Selbstverständlich steht das Geburtstagkind an diesem, seinem Tag im Fokus aller Gratulanten und zuweilen genießt es diesen sehr. Das sei dem Anlass so geschuldet. So soll es auch sein. Was ICH aber an diesen Treffen so mag, ist die Tatsache, dass man den Rest der Sippe auf einem Haufen zusammengekehrt antreffen kann. Und seien wir mal ganz ehrlich, wenn nicht gerade jemand heiratet, konvertiert, konfirmiert, etc., dann sind es eher die traurigen Anlässe, die so viel Resonance beim Rest der Familie erzeugen bzw. deren Anwesenheit begründen.

Alle paar Jahre so ein Fest initialisiert, wo man sich herzt und drückt, wo man alles auf einen aktuellen Informationsstand bringen kann und wo kräftig abgefeiert wird, bis man irgendwann erschöpft die Heimreise antritt. Das alles macht für mich einen runden Geburtstag aus. Das totale Miteinander.

Man staunt zuweilen über den Nachwuchs, der entweder gewachsen, wenn nicht sogar erwachsen geworden zu sein scheint. Natürlich ist nicht viel Zeit da. Man muss sich sputen. Daher werden die letzten Jahre und Monate grob abgeglichen. Die Erlebnisse, die Ergebnisse und auch die Verluste werden gezählt, erzählt oder verzählt. Man scherzt, man lacht und auch ein paar Tränen dürfen fallen. Hauptsache ist jedoch, man hat die Menschen um sich, die man liebt, schätzt und auch verehrt.

Diese Erkenntnis ist noch nicht lange mein. Sie ist es aber geworden. Heute sehe ich viele Dinge mit anderen Augen. Quasi aus einem anderen Blickwinkel. Bin wohl auch gewachsen.

Hast Du schon einmal versucht, Dich in Deine Familie und deren Lebensmitte reinzuversetzen? Jeden Einzelnen zu verstehen? Wie er oder sie tickt? Warum sie das tun, was sie tun? Wieso Du sie liebst, schätzt und auch verehrst? Tu es einfach! Hinterfrag sie für Dich. Dann verstehst Du auch wie wichtig Familie ist. Familie ist eben alles. Ohne geht es nicht. Ohne ist man nichts. Darum freue ich mich schon jetzt auf den nächsten runden Geburtstag im Kreise meiner Familie.